Kontakt

Hör-Tipp: Neues zur Therapie und zum Nebenwirkungsmanagement bei Brustkrebs
In der Sendung "Natürlich gesund" bei Radio Paradiso spricht Prof. Dr. Diana Lüftner über neue Erkenntnisse aus der Forschung, die bei Polyneuropathie, einer häufigen Nebenwirkung der Chemotherapie, helfen können.
Zu Gast im Studio in der Sendung "Natürlich gesund" bei Radio Paradiso ist Prof. Dr. Diana Lüftner, Chefärztin der Immanuel Klinik Märkische Schweiz, Rehabilitationsklinik in Buckow und Onkologin in der Immanuel Klinik Rüdersdorf. Mit Moderatorin Julia Nogli spricht sie über eine häufige Nebenwirkung der Chemotherapie, die Polyneuropathie (PNP) und wie neue Erkenntnisse aus der Forschung helfen können, diese unangenehme Begleiterscheinung zu vermeiden. Polyneuropathie kann sehr belastend für Patientinnen sein und geht mit Brennen, Miss- oder Minderempfinden der peripheren Nerven einher, das bevorzugt an Beinen und Händen auftritt.
Darüber hinaus gibt es auch Fortschritte in der Behandlung von bestimmten Tumoren, bei denen es nicht mehr notwendig ist, die Lymphknoten in den Achseln zu entfernen, was früher aus diagnostischen Gründen üblich war. Besonders ermutigend ist die Nachricht, dass die Prognose bei frühzeitig erkanntem und gut behandeltem Brustkrebs mittlerweile sehr positiv ist.
Das ganze Interview mit Prof. Lüftner können Sie in der Mediathek nachhören.
„Natürlich gesund“ auf Radio Paradiso, ist jetzt auch als Podcast auf Spotify, Deezer und Apple verfügbar.
Bitte beachten Sie, dass einige Inhalte ggf. nur für begrenzte Zeit auf den Webseiten Dritter zur Verfügung stehen.
Neues zur Therapie und zum Nebenwirkungsmanagement bei Brustkrebs
In der Sendung „Natürlich gesund“ bei Radio Paradiso spricht Prof. Dr. Diana Lüftner über neue Erkenntnisse aus der Forschung, die bei Polyneuropathie, einer häufigen Nebenwirkung der Chemotherapie, helfen können.
Julia Nogli
Radio Paradiso am Dienstag mit Natürlich gesund. Ich bin Julia Nogli und wenn Sie diese Sendung oft hören, haben Sie bestimmt meine heutige Expertin Professor Diana Lüftner schon mal gehört. Sie ist Chefärztin der Immanuel Klinik Märkische Schweiz, Rehabilitationsklinik in Buckow und Onkologin an der Immanuel Klinik Rüdersdorf und jetzt mein Gast hier im Studio.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Ich grüße Sie. Hallo Frau Nogli. Hallo.
Ja, Sie haben wieder Neues mitgebracht. Sie waren wieder auf Kongressen unterwegs. Es ist ja klar, als Onkologin, Sie arbeiten nicht nur in der Klinik, sondern Sie gucken auch, was die Forschung bringt.
Und wir wollen heute sprechen über Neues zur Therapie und vor allen Dingen auch zum Nebenwirkungsmanagement bei Brustkrebs. Und wir sprechen auch über PNP. Das ist Polyneuropathie.
Ja, was ist, was wäre Ihnen da zuerst wichtig, was Sie gerne erzählen würden?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Ja, das heißt tatsächlich ist es ja so, dass die Polyneuropathie für die Frauen, die eine Chemotherapie bekommen, ein häufiges Problem ist und auch das Problem nach einer Chemotherapie, das gerne lange bleibt. Man versteht unter einer Polyneuropathie ein Brennen, Missempfinden, Minderempfinden der peripheren Nerven, bevorzugt an Beinen und Händen, weil da die längsten Nerven sind. Deswegen sind auch diese Areale am meisten betroffen.
Und das belastet die Patientinnen sehr. Es kann so schlimm sein, dass man stolpert, weil man das Empfinden an den Füßen nicht hat oder dass man vielleicht auch eine Nadel nicht mehr einfädeln kann. Kurzum, das ist den Alltag schon beeinträchtigend.
Und wir haben jetzt auf den großen Konferenzen, das heißt auf der AGO, Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie, Leitlinientagung, wie auch auf der Konsensuskonferenz in St. Gallen, neue Empfehlungen gesehen. Und tatsächlich kommen die aus Deutschland. Das ist ganz toll.
Eine ganz große randomisierte Studie von der Uni Heidelberg, die gezeigt hat, wenn man unter einer Chemotherapie, die ein sogenanntes Taxan enthält, und das ist eigentlich fast immer der Fall, die Hände kühlt und gleichzeitig vielleicht sogar Kompressionshandschuhe, also chirurgische Handschuhe anzieht, die eine Nummer kleiner sind, als man das gerne hätte. Und davon zwei übereinander, dass dann sozusagen die Durchblutung so eingeschränkt ist, dass das Chemotherapeutikum eigentlich nicht an die peripheren Nerven kommt und dass das Problem der Polyneuropathie deutlich reduziert werden kann.
Julia Nogli
Was für eine schöne, im Grunde einfache Lösung. Man muss erst mal aber darauf kommen, die ist ja auch nicht mal teuer. Wie entsteht denn sowas, dass man auf diese Idee gekommen ist?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Tatsächlich gibt es diese Daten schon in Phase zwei Ansätzen, das heißt, wo nur ein Arm sozusagen geführt worden ist. Schon seit einer Weile. Das haben die Asiaten mal erfunden, die einfach den Frauen diese Kompressionshandschuhe angezogen haben.
Aber es hat eigentlich die Bestätigung gefehlt. Und da hat man sich, das klingt jetzt so ein bisschen skurril und auf der anderen Seite auch mal vielleicht ein bisschen lustig, die Tatsache zu nutzen gemacht, dass ein Mensch nun mal zwei Hände hat. Und man hat ihm bei Rechtshändern mal die führende Hand genommen.
Rechtshänder oder Linkshänder. Das hat man gekühlt und komprimiert und in anderer Hand nicht und hat dann festgestellt, dass auf der führenden Hand, die eben behandelt oder die Prävention gehabt hat, dass da weniger Polyneuropathie entstanden ist. Und so muss man jetzt sagen, das ist jetzt schon sehr hart und das sollte man unter einer Taxanhaltigen Therapie machen.
Und wir dürfen auch lernen, Taxane sind nicht nur bei Brustkrebs häufig eingesetzt. Was sind das? Taxane?
Taxane sind diese Chemotherapeutika, die diese Nebenwirkungen machen. Die sind auch bei anderen Tumorentitäten häufig eingesetzt. Das heißt, wir werden das relativ häufig machen und unsere Patientinnen und Patienten schützen können.
Und Sie machen das jetzt da im Rüdersdorf? Wir werden das jetzt einführen. Das war jetzt sozusagen das letzte Signal, weil eins darf man auch nicht vergessen.
Das ist nicht angenehm. Also die Gefäße da an den Händen so gequetscht zu kriegen und quasi hier die Durchblutung zu mindern über eine lange Zeit. Das muss eine halbe Stunde vor der Therapie begonnen werden.
Die gesamte Therapie, die ganze Infusionszeit hinweg durchgezogen werden und eine halbe Stunde später darf es erst runterkommen. Das ist eine ganz schön lange Zeit. Also das ist für die Patientinnen nicht einfach.
Darf man nicht sozusagen unterschätzen.
Julia Nogli
Aber das andere ist eben gegebenenfalls schlimmer und das betrifft viele dieses PNP.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Genau, das sind je nachdem, wie man welche Therapie man macht, wie häufig man sie macht, wie lange die Infusionszeit ist, kann das an den schweren Graden schon 10 bis 20 Prozent der Frauen betreffen, die das langfristig haben und wo es auch nicht mehr ganz weggeht.
Julia Nogli
Das ist natürlich sehr einschränkend und wer das vielleicht schon hatte, der wird dann wissen oder vom Erzählen, dann mache ich jetzt lieber dieses Unangenehme vorher. Tatsache ist, es werden viele Therapeuten jetzt einführen. Okay, geht dann bei Ihnen sozusagen jetzt dann die Forschung daran weiter?
Dokumentieren Sie das auch oder ist das jetzt nur Sie nehmen das gerne mit in die Therapie?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Also wir dokumentieren so eine Polyneuropathie schon immer. Das muss man auch, weil das wichtig ist für die Frauen. Aber wir werden jetzt natürlich damit anfangen und dann auch sehen, wenn man sich so die Kollegen, die es in den USA vielleicht schon etwas länger machen, die sagen, sie sehen deutlich weniger schwere Fälle.
Ein kleiner, charmanter Beitrag. Vielleicht noch die Asiatinnen in den USA, die haben natürlich viel kleinere Hände. Die können zum Beispiel gar keine Kompressionshandschuhe nehmen, weil es die gar nicht mehr im freien Handel gibt.
Also die müssen dann kühlen.
Julia Nogli
Genau. Aber wirklich, das klingt richtig gut. Mal so etwas Unkonventionelles und toll, dass solche Dinge auch weiter verfolgt werden.
Eine andere Sache, worüber wir auch heute sprechen wollen. Es werden ja oft bei Brustkrebs die Lymphknoten auch in der Achselhöhle mit entfernt. Erklären Sie erst mal warum und wieso.
Was ist da der Standard? Warum ist das so wichtig?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Das haben wir schon quasi jahrzehntelang gemacht. Ganz, ganz früher, dass die ganzen axillären Lymphknoten entfernt worden sind. Der Hintergrund ist, bei Brustkrebs ist das meiste Brustdrüsengewebe bei der Frau ist im oberen äußeren Quadranten.
Das heißt, wenn man die Brust in vier Teile einteilt, immer Richtung Achselhöhle. Da ist das meiste Brustdrüsengewebe. Die Brust ist nach innen, wenn Sie so wollen, von der Drüsenverteilung nicht symmetrisch.
Das heißt, wenn sich einzelne Zellen von so einem Karzinom ablösen, dann landen die über die Lymphbahnen in der Achselhöhle. Und deswegen haben wir die axillären Lymphknoten immer im Auge gehabt. Nicht, weil man da Tumormasse reduzieren will, sondern weil man wissen will, ob Tumorzellen gestreut haben.
Das heißt, ein diagnostischer Eingriff immer gewesen. Früher haben wir über zehn Lymphknoten rausgenommen. Dann haben wir den sogenannten Wächter-Lymphknoten rausgenommen.
Also der, der die erste Schleuse war.
Julia Nogli
Ach ja, deswegen heißt er so.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Deswegen heißt er Wächter, genau. Und jetzt haben wir festgestellt, tatsächlich auf der Basis einer deutschen Studie, die weltweit den Standard ändern wird, die sogenannte Insema-Studie, gemacht und geführt aus der Uni Rostock, dass es manche Fälle gibt, die so ein geringes Risiko haben, dass überhaupt Tumorzellen streuen, dass man auch den Wächter-Lymphknoten nicht entfernen muss. Das sind aber dann nicht alle, sondern es sind Tumoren, die sind hormonabhängig, unter zwei Zentimeter und teilen sich sehr, sehr wenig, ein sogenanntes Grading 1 und 2.
Und wenn man diese Konstellationen hat, wird man jetzt in der Zukunft nicht einmal den einen Wächter-Lymphknoten oder die ein oder zwei Wächter-Lymphknoten entfernen müssen. Das heißt, die Axilla bleibt unberührt. Und das hätte ja auch Folgen.
Also man möchte das gerne vermeiden. Genau, es ist ein operativer Eingriff, den man schlichtweg nicht braucht. Also machen wir ihn nicht.
Die Patientin hat keinen Nutzen davon. Und selbst wenn man nur einen Lymphknoten rausnimmt, kann die Patientin trotzdem ein Lymphedema, also eine Schwellung des Armes haben. Und auch das ist unschön und das wollen wir verhindern.
Insofern, das wird sich jetzt sehr verbessern für nicht alle, aber für einen relevanten Anteil der Fahren.
Julia Nogli
Genau, wo Sie das ganz genau vorher bestimmen können. Und die Lymphknoten letztlich haben ja auch eine Funktion, oder?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Natürlich, Lymphknoten haben eine Funktion. Vor allen Dingen sind sie quasi Drainage-Orte für die Lymphflüssigkeit. Wenn man die rausnimmt, unterbricht man einfach einen Lymphweg.
Und es ist wie eine Wasserstraße. Dann muss sich die Lymphe, das Wasser, die Flüssigkeit an einen anderen Weg suchen. Wenn es den nicht findet, dann staut sich der Arm.
Und das kann auch bei einem Lymphknoten so sein.
Julia Nogli
Ja, deswegen will man das vermeiden.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Deswegen gibt es Lymphdrainage. Exakt. Und wenn man das nicht irgendwie vermeiden kann, zum Beispiel bei Frauen, die hochaggressive Tumoren haben, da wollen wir die Information aus der Achselhöhle noch haben.
Dann, wenn sich dann was staut, dann würden wir diese Patientin eine Lymphdrainage zuführen. Völlig richtig.
Julia Nogli
Also das sind ja wirklich schon zwei sehr, sehr spezielle, aber wichtige Aspekte. Vielleicht nochmal allgemein. Die Diagnostik wird immer genauer und natürlich toll, wenn so früh wie möglich.
Und die Therapie immer besser bei Brustkrebs.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Ja, das ist tatsächlich so. Wir sind schon recht gut geworden. Wir wissen, dass wir heute in Deutschland, wenn man alle zusammen über einen Kamm scheren würde und mitteln würde, sind 87 Prozent der Patientinnen, wenn sie alle Leitlinien getreu behandelt werden, geheilt.
87 Prozent. Das war vor 20 Jahren doch deutlich weniger. Geheilt heißt, es kommt schlichtweg nicht wieder.
Genau, geheilt so, dass man sagen kann, sie werden von dieser Erkrankung nie wieder was hören.
Julia Nogli
Das ist großartig. Muss man dann noch ein Leben lang eingeschränkt leben, Medikamente nehmen?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Also es gibt, wie gesagt, diese 87 Prozent sind unter der bestmöglichen verfügbaren Therapie. Da sind auch die Frauen dabei, die gegebenenfalls zehn Jahre lang eine antihormonelle Therapie nehmen müssen. Aber idealerweise ist dann irgendwann mal die Therapie zu Ende.
Man hat keine Spätschäden, siehe Polyneuropathie, und wird von der Erkrankung nichts mehr hören.
Julia Nogli
Wichtig, aber sagen Sie an dieser Stelle gerne auch nochmal, ist die Früherkennung.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Tatsächlich ist das so.
Julia Nogli
Was ist da wichtig? Nicht nur zur Mammografie zu gehen?
Prof. Dr. Diana Lüftner
Es ist wichtig, zur Mammografie zu gehen, wenn man diesen schönen Brief kriegt. Dann landet er irgendwann mal im Briefkasten von jeder Frau. Aber es ist wichtig, die meisten Karzinome werden von den Frauen selber getastet.
Das heißt, in regelmäßigem Abstand, gerne monatlich, wirklich sorgfältig die Brust abtasten und die Achselhülle, wie gerade besprochen, in kreisenden Bewegungen, gerne unter der Dusche. Mit ein bisschen Duschgel, da kann man die Oberfläche am besten fein unterscheiden. Das ist der Wichtigste eigentlich.
Wichtiger noch als alles andere oder beziehungsweise ergänzend.
Julia Nogli
Und dann, wenn man da ist, jetzt was Komisches, wird man erst mal einen Schreck kriegen, einen Knoten, einen Hubbel, dann gehe ich zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Dann geht man üblicherweise, es ist der erste Weg zur Gynäkologie.
Julia Nogli
Ja, und das kann ja auch oft was sein, was jetzt nicht gleich...
Prof. Dr. Diana Lüftner
Völlig richtig. Also das, was man da tastet, ist nicht häufig einfach eine Resistenz. Resistenzen können auch gutartig sein und haben dann keinerlei Bedeutung.
Sie müssen aber abgeklärt werden.
Julia Nogli
Also wichtig auch noch mal der Hinweis mit der Örtlichkeit Richtung Achsel. Kann ich mich erinnern, da wird auch oft getastet, eher bei der Gynäkologin. Da ist die Wahrscheinlichkeit etwas höher.
Genau, richtig.
Prof. Dr. Diana Lüftner
Also 60 Prozent des Brustdrüsengewebes sind oben außen.
Julia Nogli
Also ist einfach von der Statistik her, ist das interessanteste Areal, sagt Professor Diana Lüftner, Onkologin in der Immanuel-Klinik Rüdersdorf. Neues zur Therapie und zum Nebenwirkungsmanagement bei Brustkrebs. Darum ging es heute.
Und es ist wirklich eine gute Nachricht, dass 87 Prozent der Patientinnen, die Leitlinien gerecht behandelt werden, vom Brustkrebs geheilt werden können. Mehr Infos zur Sendung und auch zu Professor Diana Lüftner finden Sie hier auf www.paradiso.de in unserer Mediathek unter natürlich gesund. Einen schönen Abend für Sie mit Radio Paradiso.